Desinformation im Netz: Reale Gefahr oder Panikmache?
Wir veröffentlichen die neue Ausgabe des Forschungsmonitors (fyi 18)
- Algorithmische Mechanismen von Plattformen wie Facebook, X und TikTok fördern die Verbreitung polarisierender Inhalte.
- Vor allem populistische Parteien nutzen Desinformation, um Misstrauen in demokratische Institutionen zu säen.
- Die Angst vor Desinformation ist oft größer als die Gefahr selbst und kann durch Stärkung der Medienkompetenz verringert werden.
Die gezielte Verbreitung von Desinformation stellt eine wachsende Herausforderung für demokratische Gesellschaften dar. Besonders im Kontext der Bundestagswahl 2025 ist die Besorgnis in Deutschland groß: Laut einer aktuellen Umfrage des Bitkom-Verbandes glauben 88 % der Deutschen, dass ausländische Regierungen versuchen, die Wahl durch soziale Medien zu manipulieren. Drei Viertel der Befragten halten die deutsche Demokratie für nicht ausreichend auf diese Bedrohung vorbereitet.
Was sagt die Forschung zu den Gefahren, die von Desinformation ausgehen können? Die erste Ausgabe des Forschungsmonitors 2025 (fyi 18) untersucht die Verbreitung von Desinformation auf digitalen Plattformen, ihre Auswirkungen auf politische Prozesse und die damit verbundenen Gefahren für Wahlen in Deutschland. Kommunikationswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler der Ludwig-Maximilians-Universität München haben dazu sechs Studien analysiert. Der fyi beleuchtet, inwiefern Desinformation politische Entscheidungsprozesse beeinflusst und ob ihre Folgen möglicherweise überschätzt werden.
Populismus und gezielte Manipulation im Netz – ermöglicht durch Regulierungslücken
Die Forschung zeigt, dass vor allem demokratiefeindliche Akteure und populistische Parteien an den politischen Rändern gezielt Fehlinformationen verbreiten, um Misstrauen in demokratische Institutionen zu säen. Ein Beispiel hierfür ist die „Doppelgänger“-Kampagne, bei der russische Akteure über gefälschte Nachrichtenportale und soziale Medien pro-russische, polarisierende Inhalte verbreiten, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen.
Regulierungslücken erschweren die Bekämpfung solcher Kampagnen. Plattformen wie X oder Facebook dienen weiterhin als Verbreitungskanäle, und obwohl Sanktionen gegen die Akteure hinter der „Doppelgänger“-Kampagne bereits erfolgt sind, wirken solche Maßnahmen oft reaktiv und viel zu spät. Solange diese Lücken bestehen, existiere die Gefahr, dass Akteure wie „Doppelgänger“ die Meinungsbildung manipulieren – ein Problem, das dringend schärfere Regulierung erfordert.
Soziale Medien als Katalysator für Desinformation
Fehl- und Desinformationen sind nicht nur ein Problem in den sozialen Medien. Sie werden auch über traditionelle Medien verbreitet. Jedoch tragen große Online-Plattformen durch ihre algorithmische Verstärkung polarisierender Inhalte maßgeblich zur Verbreitung von Desinformation bei. Die Abschaffung von Fakten-Checks und die Auflösung von Integritäts-Teams dieser Plattformen verschärfen die Problematik. Lea Frühwirth, Senior Researcherin beim Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS), betont im fyi-Interview: „Social-Media-Plattformen haben wirtschaftliche Interessen, die sie durch Werbeeinnahmen bedienen. Inhalte, die starke Emotionen hervorrufen, halten Nutzerinnen und Nutzer länger auf der Plattform. Desinformation kann dabei ein effektives Mittel sein.“
Wird die Wirkung von Desinformation überschätzt?
Desinformation ist eine ernstzunehmende Gefahr, doch das Ausmaß ihrer Verbreitung wird von Bürgerinnen und Bürgern oft überschätzt. So wirkt die Angst vor der Desinformation stärker als die Desinformation an sich. Das kann zu allgemeinem Misstrauen auch in traditionelle Medien führen. Doch es gibt Wege, dem entgegenzuwirken: Investitionen in die Stärkung von Medienkompetenz können Menschen dazu befähigen, Desinformation als solche zu erkennen – jedoch ohne eine grundsätzliche Skepsis gegenüber Informationsquellen zu befeuern.
Die Ergebnisse der Studien machen deutlich: Der Einsatz gegen Desinformation bleibt eine zentrale und gesellschaftlich enorm relevante Aufgabe für die Wissenschaft und Bildung, Politik und Medienunternehmen. Die fyi-Forschenden halten drei zentrale Aufgaben für eine demokratische Medienordnung fest: Erstens, gesetzliche Rahmenbedingungen zu stärken, um Desinformationskampagnen während Wahlkämpfen effektiver zu begegnen. Zweitens, nachhaltige Strategien zur Förderung von Medienkompetenz und politischer Bildung zu entwickeln, insbesondere in Schulen. Drittens, Desinformation nicht nur aufzudecken, sondern ihre tatsächliche Wirkung realistisch einzuordnen, um überzogene Alarmstimmung zu vermeiden.
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