22.03.2021

Quelle Internet?

Bevölkerungsrepräsentativer Test digitaler Informations- und Nachrichtenkompetenzen zeigt Handlungsbedarfe auf

Digitale Medien stellen hohe Anforderungen an die Informations- und Nachrichtenkompetenz ihrer Nutzerinnen und Nutzer. Die heute veröffentlichte Studie „Quelle Internet? – Digitale Nachrichten- und Informationskompetenzen der deutschen Bevölkerung im Test“ der Stiftung Neue Verantwortung (SNV) zeigt: Bei der Nutzung des Internets und der Sozialen Medien fehlt es oft an ganz konkreten Kenntnissen und Fähigkeiten zur Identifikation unabhängiger Informationen, von Interessenkonflikten oder Werbung oder zur Unterscheidung zwischen Nachrichten und Meinungsbeiträgen. In fast allen Kompetenz-Bereichen schneiden die Deutschen den Ergebnissen der Studie zufolge überwiegend mittelmäßig bis schlecht ab.

Informierte Bürgerinnen und Bürger sind Basis freier gesellschaftlicher Meinungsbildung und Demokratie. Die Nachrichten- und Informationskompetenz der Bevölkerung war dabei selten wichtiger als heute, gerade in Zeiten der Pandemie, von ökonomischen Krisen oder immer stärker polarisierenden Wahlkämpfen. Die Art und Weise, wie wir Nachrichten konsumieren und uns über Neuigkeiten informieren hat sich in den letzten Jahren jedoch stark verändert.

Wie wirkt sich diese veränderte Mediennutzung auf die Fähigkeit der Bevölkerung aus, Nachrichten zu verstehen und Informationen zu bewerten? Antworten darauf gibt die neueste Publikation der Stiftung Neue Verantwortung, die von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb, der Landesanstalt für Medien NRW und der Medienanstalt Berlin Brandenburg (mabb) unterstützt und zusammen mit der Meinungsforschungsagentur pollytix strategic research gmbh durchgeführt wurde: „Quelle Internet? – Digitale Nachrichten- und Informationskompetenzen der deutschen Bevölkerung im Test“ von Anna-Katharina Meßmer, Alexander Sängerlaub, Leonie Schulz.

Expertinnen und Experten aus der Medienforschung haben einen Test zur Messung der Informations- und Nachrichtenkompetenz entwickelt. Dieser wurde im Herbst 2020 mit einer repräsentativen Stichprobe für die deutschsprachige Bevölkerung mit Internetzugang in Deutschland ab 18 Jahren durchgeführt. Dafür wurden mittels Online-Interviews bundesweit 4.191 Nutzerinnen und Nutzer befragt und getestet. Es handelt sich dabei um einen der weltweit ersten bevölkerungsrepräsentativen Tests zu Informations- und Nachrichtenkompetenzen. Die nun vorliegenden Ergebnisse wurden von der SNV präsentiert und weisen differenziert Stärken und Schwächen einzelner Bevölkerungsgruppen aus.

Begleitet wird die Studie von einem Online-Angebot, das es Nutzerinnen und Nutzern ermöglicht, selbst zu testen, wie nachrichtenkompetent sie sind. Mit dem„News-Test ­– wie gut bist du mit Nachrichten im Netz?“ können sie solche Fragen beantworten, die auch den Studien-Teilnehmerinnen und -Teilnehmern gestellt wurden und ihr Wissen in fünf Kompetenz-Bereichen testen. Gleichzeitig erhalten sie wichtige Informationen zur Navigation in der digitalen Medienwelt.

Eine Auswahl der Studienergebnisse im Überblick

1) Unterschiede zwischen Desinformation, Information, Werbung und Meinung werden zum Teil nur schwer erkannt. So hielten beispielsweise 56 % Befragten ein Advertorial – trotz Werbekennzeichnung – fälschlicherweise für eine Information. Nur 23 % haben richtig erkannt, dass es sich um Werbung handelt.

2) Ob eine Quelle vertrauenswürdig ist, wird von Vielen richtig eingeschätzt. Interessenskonflikte werden allerdings seltener erkannt. So erkannten zwar 65 % der Befragten, dass der Geschäftsführer eines Flugreisenportals als Autor eines Beitrags zum Thema Fliegen keine neutrale Quelle ist, doch nur die Hälfte der Befragten konnte auch den konkreten Interessenskonflikt benennen.

3) Die Kennzeichnungsstrategien von Social-Media-Plattformen zu Desinformationen sind bisher kaum wirksam. Maximal ein Viertel der Befragten identifizierte eine solche Markierung als hilfreichen Hinweis bzw. konnte die Information richtig einordnen.

4) Menschen zweifeln an Unabhängigkeit des Journalismus von der Politik. So stimmten 25 % der Aussage zu, dass Medien und Politik Hand in Hand arbeiten, um die Meinung der Bevölkerung zu manipulieren (weitere 28 % sagten teils/teils). 24 % glaubten, dass die Bevölkerung in Deutschland von den Medien systematisch belogen werde (weitere 30 % sagten teils/teils).

5) Jüngere Generationen sind kompetenter als Ältere – allerdings ist dies abhängig vom Bildungsabschluss. Besonders nachrichtenkompetent sind die höhergebildeten Befragten zwischen 18 und 39 Jahren, während Menschen unter 40 mit niedriger Schulbildung besonders niedrige Kompetenzwerte aufweisen.

 

Zitate der Unterstützerinnen und Unterstützer

Prof. Monika Grütters
, Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin und Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien: „Das Verständnis und die Einordnung von Informationen sind die entscheidenden Voraussetzungen für demokratische Teilhabe und Mitwirkung an gesellschaftlichen Debatten. Deshalb haben wir diese erste größere Untersuchung zum Stand der Nachrichtenkompetenz in Deutschland unterstützt. Die Ergebnisse der Studie zeigen: Wir müssen das Bewusstsein für den Wert seriöser und unabhängiger Informationen stärken - von der Schule, über die berufliche Weiterbildung bis hin zur Erwachsenenbildung. Erforderlich sind auch und immer wieder eine eindeutige, klare Kennzeichnung werblicher Inhalte und der fortgesetzte Kampf gegen Desinformation im Netz.

Ermutigend ist, dass immerhin die Mehrheit der Befragten die Vertrauenswürdigkeit unterschiedlicher Quellen einschätzen kann. Das ist Ansporn und Auftrag, nicht nur für den unabhängigen Qualitätsjournalismus, sondern auch für Rahmensetzung durch die Politik. Unser starkes, vielfältiges und verlässliches Mediensystem, zu dem nicht zuletzt der öffentlich-rechtliche Rundfunk gehört, stärkt die Abwehrkräfte gegen Desinformation und Legendenbildung. Nur so können Pressefreiheit und unabhängiger Journalismus verteidigt werden – als maßgebliches Fundament einer stabilen Demokratie, und das nicht nur in Krisenzeiten.“

Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb: „Die Studie bietet eine wichtige Grundlage für die Entwicklung von Strategien und konkreten Ansätzen der politischen Bildung, mit denen Bürgerinnen und Bürger in digitalen Öffentlichkeiten wirksam unterstützt werden können. Informations- und Nachrichtenkompetenz umfasst insbesondere die Kompetenz, sich in der vielfältigen Informationslandschaft zurecht zu finden, Informationen richtig einzuordnen und sich gegen falsche und hetzerische Aussagen zu immunisieren und zu engagieren. Die Vermittlung dieser Kompetenzen gehört zum zentralen Aufgabenfeld einer zeitgemäßen politischen Bildung und ist die Grundlage für einen lebendigen gesellschaftlichen Diskurs und eine qualifizierte Meinungsbildung.“

Dr. Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien NRW: „Die vorliegende Studie zeigt zwei Richtungen, die wir verbinden müssen: Zuerst gilt es zu prüfen, ob die Kennzeichnung von Quellen im Internet und die Transparenz digitaler Nachrichtenangebote, wie wir sie heute vorfinden, ausreichen. Zum zweiten müssen wir Menschen helfen, Informationen im Internet richtig zu bewerten. Nur dann kann es auch in der Zukunft gelingen, das Netz als demokratischen Kommunikationsraum zu nutzen. Mit Angeboten wie dem Portal ZEBRA bieten wir schon heute individuelle, kompetente und schnelle Hilfe bei Medienfragen. Nur die Kombination aus Kompetenzvermittlung und sinnvolle rechtliche Vorgaben ist eine erfolgreiche Strategie im Kampf gegen Desinformation.“

Dr. Eva Flecken, Direktorin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb): „Unsere Studie zeigt: Es besteht Handlungsbedarf über alle Generationen hinweg. Wir müssen transparenter machen, wie Medien arbeiten und wie digitale Informationen und Nachrichten entstehen. Die Nutzenden sollen klar erkennen, was Nachrichten ausmacht, was sie von Meinungen oder auch Desinformationen unterscheidet. Dabei spielen auch Journalistinnen und Journalisten eine wesentliche Rolle: Sie müssen ihre Arbeit verständlich machen. Deswegen fördert die mabb viele Projekte zum Thema Informations- und Nachrichtenkompetenz. So engagiert sie sich zum Beispiel im Projekt „Journalismus macht Schule“: Hier stellen sich Journalistinnen und Journalisten den kritischen Fragen von Schülerinnen und Schülern. Damit leisten sie einen wichtigen, authentischen Beitrag für den so notwendigen Ausbau der Informations- und Nachrichtenkompetenz und für die Wertschätzung ihrer Profession in der Gesellschaft.“