Effiziente Strukturen nutzen und Staatsferne der Medienaufsicht achten
Medienanstalt NRW veröffentlicht Studie zu Verbesserungspotenzialen in europäischer Digitalgesetzgebung
Kaum ein Vorhaben der Europäischen Kommission wird aktuell so intensiv diskutiert wie die Projekte Digital Services Act und Digital Markets Act. Viele Ansätze in diesen Gesetzesentwürfen erscheinen dabei sehr begrüßenswert, einige Punkte werfen jedoch Fragen und Diskussionsbedarfe auf.
Die Landesanstalt für Medien NRW mit ihrem Direktor und Europabeauftragten der Medienanstalten, Dr. Tobias Schmid, setzt sich dafür ein, diese Fragen zu klären und zu konstruktiven Diskussionen beizutragen. Prof. Dr. Mark D. Cole, Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Europäisches Medienrecht e.V. (EMR), hat zu diesem Zweck im Rahmen einer digitalen Veranstaltung am Mittwoch, dem 16. Juni, seine von der Medienanstalt NRW beauftragte Studie vorgestellt: „Updating the rules for Online Content Dissemination - Legislative Options of the European Union and the Digital Services Act Proposal“.
“Europa geht mit dem DSA und dem DMA einen entscheidenden Schritt, um unsere demokratischen, europäischen Werte auch langfristig zu sichern – ein weltweit einmaliges und extrem wichtiges Projekt. Jetzt müssen wir dabei nur noch die Anwendbarkeit dieses Gesetzesvorschlags verbessern und die Balance zwischen dem Erhalt funktionierender Strukturen und dem Mut zu neuen Lösungen hinkriegen“, kommentiert Dr. Tobias Schmid. Er ist 2021 im zweiten Jahr in Folge Vorsitzender der Gruppe der europäischen Medienregulierer, ERGA, und intensiv mit den Gesetzinitiativen der EU-Kommission befasst.
Prof. Dr. Mark D. Cole weist in seiner Studie auf einige Klärungsbedarfe in den vorliegenden Gesetztestexten hin – besonders in Abgrenzung zur bestehenden europäischen Aufsichtsstruktur und im Hinblick auf die Aufgabenverschiebung von einer staatsfernen Medienaufsicht in den Mitgliedsstaaten hin zu einer zentralisierten Rolle der Europäischen Kommission.
So wirft er zum Beispiel die Frage auf, ob die gewählte Rechtsform einer Verordnung im Falle des DSA angemessen ist. Sowohl der Anwendungsbereich als auch das Subsidiaritätsprinzip sprechen für eine Richtlinie, die den Mitgliedstaaten größere Gestaltungsspielräume in ihnen verbleibenden Kompetenzbereichen lässt. Konkretisierungsbedarf sieht er auch in Bezug auf Haftungsprivilegien der Plattformen im Rahmen der Rechtsdurchsetzung gegenüber illegalen Inhalten. Zwar bietet eine zunehmende Harmonisierung der Rechtsordnung viele Vorteile, praktisch bleibt jedoch zu klären, wann die Nichteinhaltung von Pflichten eine Haftung des Anbieters nach nationalem Recht rechtfertigen kann.
Ein zentraler Kritikpunkt ist für Prof. Dr. Mark D. Cole außerdem der geplante Schritt zu einer teilweisen Zentralisierung der Aufsicht. Er befürchtet eine ineffiziente Struktur, die bestehende, funktionierende Prozesse nicht nutzt. Außerdem stellt er die Frage, ob die im Medienbereich gebotene Staatsferne der Aufsicht so weiterhin gewährleistet bleibt: „Es ist von besonderer Bedeutung, dass die Ausformung der Rechtsdurchsetzung beziehungsweise der Regeln für Inhaltevermittler durch kompetente Stellen erfolgt. Sie müssen Kriterien erfüllen, die ihre Effizienz und Unabhängigkeit von einer Einflussnahme seitens des Staates, der beaufsichtigten Unternehmen und anderen privaten Stellen garantieren“, betont Prof. Dr. Mark D. Cole.
Die vollständige Studie ist im Nomos-Verlag erschienen und ab sofort online zum Download verfügbar: https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/9783748925934.pdf?download_full_pdf=1
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