Täter weichen auf Messengerdienst Telegram aus
Landesanstalt für Medien NRW veröffentlicht Studie zu Rechtsverstößen und problematischen Inhalten auf Telegram
Telegram ist in aller Munde – und das, obwohl schätzungsweise nur knapp zehn Prozent der Deutschen den Messengerdienst mit unklarem Firmensitz und wenig transparenten Organisationsstrukturen nutzen. Nicht nur zur Verbreitung von Verschwörungsideologien und alternativen Weltanschauungen wird Telegram zunehmend verwendet. Auch Rechtsverstöße vielfältiger Art finden sich dort. Diesen Verdacht hat die Landesanstalt für Medien NRW daher bereits im Frühjahr zum Anlass genommen, sich des Themas anzunehmen. Ziel war es, ein besseres Verständnis für die Aktivitäten auf Telegram zu bekommen, um schließlich auch dort keine rechtsfreien Räume zuzulassen.
Wissenschaftler der Universität Greifswald haben im Auftrag der Medienanstalt NRW in den letzten Monaten solche Kanäle und Gruppen analysiert, in denen sie Rechtsverstöße und die Verbreitung von Desinformation vermuten. Die Studie wurde heute veröffentlicht.
Darin kommen Dr. Jakob Jünger und Chantal Gärtner zunächst zu dem Schluss, dass Abwanderungsbewegungen zu beobachten sind. Telegram bietet einen Raum für Akteure, die sich von Plattformen wie Facebook oder Twitter abwenden. Etablierte amerikanische Anbieter reagieren auf die gestiegenen regulatorischen Anforderungen und gehen zunehmend dazu über, gewisse Inhalte und Nutzer zu sperren. Telegram nimmt diese Löschungen bisher nicht proaktiv vor.
Bei den illegalen Aktivitäten auf Telegram handelt es sich dabei keineswegs um Einzelfälle. Die Wissenschaftler haben die beobachteten Delikte in Problemfelder kategorisiert. Die meisten Rechtsverstöße, die auf Telegram zu finden sind, treten in den Bereichen Rechtsextremismus, Pornografie, Drogen- und Dokumentenhandel auf. Viele dieser Rechtsverstöße fallen in den Zuständigkeitsbereich der Medienanstalten.
Die vorliegende Studie dient der Medienanstalt nun unter anderem dazu, ihre Aktivitäten gegen Rechtsverstöße auf Telegram zu konkretisieren. „Wir kommen an der Erkenntnis nicht vorbei, dass sich die Organisationsform von Telegram der Rechtsdurchsetzung strukturell entzieht und dass das systematisch missbraucht wird. Freiheit im Netz kann aber nur funktionieren, wenn Regeln eingehalten werden. Spätestens mit dieser Studie wird klar, dass das nicht nur für Facebook und YouTube gelten muss, sondern natürlich auch für Telegram. Wir jedenfalls werden unsere Aufsichtstätigkeit entsprechend erweitern und es wäre sicher eine gute Idee, wenn der Gesetzgeber seinen Fokus gleichfalls ausweitet. Gefahren zu setzen, ohne verantwortlich zu sein, geht eben nicht – auch nicht im Netz“, kommentiert Dr. Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien NRW, die Erkenntnisse der Analyse.
Auch Dr. Jakob Jünger schließt Folgerungen aus der vorliegenden Studie: „Über Messenger wie Telegram entsteht durch Weiterleitungen und Gruppen verdeckt-verteilte Öffentlichkeit, das sind kommunikationswissenschaftlich sehr spannende Phänomene. Wir brauchen solche Räume für sozialen Kontakt, kreativen Austausch und die Entfaltung von Meinungen. Die Offenheit des Internets bringt aber auch dysfunktionale Kommunikation mit sich. Medienregulierung steht deshalb, wie wir alle, vor der Herausforderung, gleichzeitig die Meinungsfreiheit und vor Diskriminierung zu schützen.“
Den Anfangsverdacht, dass Telegram auch für illegale Aktivitäten genutzt wird, hat diese Studie bestätigt. Und sie liefert konkrete Ansätze, um den Einsatz der Medienaufsicht gegen Rechtsverstöße im Netz fortzusetzen. Im nächsten Schritt werden die potentiell rechtswidrigen Inhalte den Strafverfolgungsbehörden übergeben – und wenn nötig auch grenzüberschreitend verfolgt.
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