75 Jahre Grundgesetz
Am 24. Mai 1949 trat unser Grundgesetz in Kraft. Und es hat bis heute Bestand - unser Glück. In diesem Jahr wird eben dieses Grundsetz 75 Jahre alt. Für uns ein guter Grund zu feiern!
Daher haben wir das Grundgesetz auf Plakate geschrieben und in Städte in NRW gehängt - oder zumindest den Artikel, der unsere Arbeit am meisten prägt: Artikel 5, Absatz 1.
„Wie gut das Grundgesetz ist, hat sich vor allem immer dann gezeigt, wenn unsere Demokratie unter Druck gerät. Womöglich ist das gerade wieder eine solche Zeit. Es ist eben nicht so, dass Demokratie, Meinungsfreiheit und mediale Vielfalt einfach so da sind. Es muss uns klar sein, dass Demokratie und Freiheit verteidigt werden müssen. Immer. Von jedem. Oder anders: In Zeiten wie diesen brauchen wir jede Demokratin und jeden Demokraten.“
Dr. Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien NRW
Warum schreiben wir Artikel 5 auf Plakate?
Da kannste sagen, was du willst. Herzlichen Glückwunsch, liebes Grundgesetz.
Vor 75 Jahren haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes ein sehr visionäres Gesetz verabschiedet. Sie haben sich geeinigt auf ein Gesetz, das nicht die Mehrheit schützt. Und auch nicht die Minderheit. Nicht die Mächtigen, nicht die Schwachen, nicht die Lauten, nicht die Leisen. Sie haben ein Gesetz verabschiedet, das jeden schützt. Und das unser demokratisches, freiheitliches Zusammenleben in einem föderalen Deutschland gewährleistet und prägt wie kein anderes Gesetz.
Das ist viel Text für ein Plakat? Ja, das stimmt. Und es ist ein wichtiger und ziemlich schöner Text, der es verdient auf einem Plakat zu stehen.
Unsere Gedanken zum Grundgesetz
Unsere Kolleginnen und Kollegen haben sich Gedanken zum Geburtstag des Grundgesetzes gemacht – nicht nur zu Artikel 5, sondern zu zahlreichen Artikeln, die unser Zusammenleben und unsere Arbeit für die freie und unabhängige Medienordnung mitgestalten. In den kommenden Tagen und Wochen werden wir diese Gedanken hier nach und nach veröffentlichen.
Gedanken zur Präambel des Grundgesetzes
Hallo, ich bin Michel, Europareferent bei der Landesanstalt für Medien NRW und darf euch meine Gedanken zum Grundgesetzes vorstellen. Als erster in der Reihe kommt mir die Präambel und damit verbunden der Europabezug dieser Verfassung zu.
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Auch wenn so eine Präambel ja gar keine Regel aufstellt, gar nicht klarmacht, was jetzt eigentlich in Deutschland erlaubt und was verboten ist, macht sie doch einiges deutlich: Welches Ziel verfolgt eigentlich diese Verfassung Deutschlands, wer hat sie vergeben und für wen gilt sie eigentlich? Im Wortlaut besagt die Präambel:
Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.
Die Deutschen in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen haben in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands vollendet. Damit gilt dieses Grundgesetz für das gesamte Deutsche Volk.
Was heißt das jetzt?
Das heißt, dass die Deutschen Urheber dieser Verfassung sind und dass die Deutschen, die sich als Volk aus den 16 Bundesländern zusammensetzen, selbst ihre Einheit vollendet haben.
Die Präambel definiert auch das Ziel dieses deutschen Volkes, nämlich „in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen“.
Dazu habe ich drei persönliche Gedanken:
- Deutschland und Europa gehören zusammen.
Die EU und die Bundesrepublik Deutschland eint das Ziel, eine kriegerische, auf Unrecht basierende Herrschaftsform ablösen und durch eine dem Frieden verschriebene Ordnung ersetzen zu wollen – zwischenstaatlich wie innerstaatlich. Auch in der Präambel des Gründungsaktes der Europäischen Gemeinschaften erklären die damaligen Mitgliedstaaten, sie seien „entschlossen, an die Stelle der jahrhundertealten Rivalitäten einen Zusammenschluss ihrer wesentlichen Interessen zu setzen“.
- Kompromisse erhalten den Frieden.
Dieses erklärte Bestreben, die beste Lösung für eine Gemeinschaft zu finden, macht gleichsam die deutsche Demokratie und die EU aus. Wenn der Kompromiss die Standardform einer Entscheidungsfindung ist, verhindert das die ganz großen Konflikte. Die EU zeigt uns, dass das offenbar auch zwischen Staaten klappen kann.
- Es ist der Wille, der zählt!
So eine Präambel drückt den Willen aus, die zur Schaffung des folgenden Textes geführt hat. Dieser gemeinsame Wille ist das, was funktionierende Gesellschaften verbindet. Demokratien und zwischenstaatliche Einigungen in der EU funktionieren dann am allerbesten, wenn uns der übergeordnete Wille eint, friedlich, fair – einfach demokratisch – miteinander umzugehen. Die Überzeugung, dass ein friedliches Zusammenleben das höchste Gut einer Gemeinschaft ist, macht die deutsche Demokratie und die zwischenstaatlichen Beziehungen in Europa aus.
Lasst uns das feiern!
Der Menschenwürde verpflichtet (Art.1 Abs.1 GG)
Als Fundament des Grundrechtskatalogs und der gesamten Staatsordnung steht die Garantie der Menschenwürde: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen, ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
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Sätze, bei denen ich noch vor einigen Jahren fest geglaubt hätte, sie seien in uns als gesellschaftliche Grundlage des Miteinanders mittlerweile so tief verwurzelt, dass wir sie nur noch in seltenen Ausnahmefälle bemühen müssten. Innerhalb des Netzes zeigt sich jedoch zunehmend eine andere, eine neue Realität.
Nicht zuletzt der russische Einfall in die Ukraine, der Angriff auf Israel und der bewaffnete Konflikt im Gazastreifen lassen Bilder in sozialen Netzwerken zurück, die nicht mehr allein ein realistisches Bild über die Kriege und Konflikte zeigen. Gezielt werden durch Nahaufnahmen und Schnitte von (Bewegt-) Bildern Menschen und Kinder zum Objekt in der Berichterstattung degradiert.
Wie gehen wir als Medienaufsicht damit um, wenn wir auf der einen Seite das Grundrecht der freien Meinungsäußerung bzw. die Freiheit der Berichterstattung und der Medien auch in kriegerischen Konflikten sichern, auf der anderen Seite die Würde des einzelnen Menschen schützen wollen?
Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes hält seit 75 Jahren die Antwort bereit.
Es gibt keine Menschen zweiter Klasse. Jeder hat den gleichen Wert und einen Anspruch darauf, als Subjekt geachtet und respektiert zu werden – auch in kriegerischen Auseinandersetzungen. In dem Begriff der Unantastbarkeit kommt zum Ausdruck, dass eine Rechtfertigung von Verletzungen der Menschenwürde nicht möglich ist. Anders als bei den Grundrechten, die in der Regel einer Abwägung mit widerstreitenden Interessen zugänglich sind, gilt der Schutz der Menschenwürde absolut. Es dürfen also bei der Achtung des Menschen als Persönlichkeit keine Abstriche gemacht werden – auch nicht zugunsten der Meinungsfreiheit, an der wir als Medienaufsicht unser Handeln jeden Tag aufs Neue orientieren.
So ist es die gesetzliche Aufgabe der Medienaufsicht, die Verbreitung von die Menschenwürde verletzenden Medieninhalten zu unterbinden. Dazu gehören insbesondere gewaltverherrlichende Darstellungen sowie volksverhetzende Inhalte, die den Wert- und Achtungsanspruch eines Menschen leugnen. Als Medienaufsicht arbeiten wir dazu mittlerweile auch mit der Strafverfolgung zusammen; wir sind jedoch diejenigen, die staatsfern und unabhängig die Provider zur Entfernung menschenwürdeverletzender Inhalte verpflichten können. Das gelingt in der Praxis nicht immer direkt, aber zunehmend besser und schneller.
Wir sind also nicht nur der Meinungsfreiheit verpflichtet, sondern sorgen insbesondere auch für die Achtung der Würde eines Einzelnen. Dies als eine der beruflichen Herausforderungen annehmen zu dürfen, macht die Arbeit im Team Aufsicht der Landesanstalt für Medien NRW so herausfordernd, aber auch so sinnstiftend. Im Auftrag der Menschenwürde.
Freie Entfaltung (Art. 2 GG)
Freiheit. Ein Begriff, der an Gewicht wohl nicht zu überbieten ist. Um sie wurde gekämpft, immer wieder. Sie wurde besungen und verfilmt. Klar, sie ist unser höchstes Gut. Und doch nehmen wir sie manchmal vielleicht für zu selbstverständlich – oder?
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Eigentlich leben wir in einer Zeit, in der wir freier und selbstbestimmter sind als je zuvor. Umso wichtiger ist es, die Werte zu würdigen und zu feiern, die uns als Nation zusammenhalten und als Individuen stärken.
Das Fundament dieser Werte ist unser Grundgesetz, dessen Verabschiedung sich am 23. Mai 2024 zum 75. Mal jährt. Das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit sichert darin Artikel 2:
- Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
- Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
Freiheit ist mehr als nur das Fehlen von Einschränkungen. Sie ist das Recht, eigene Überzeugungen zu haben, Träume zu verfolgen und die eigene Identität zu entfalten. Sie ist das Herzstück einer jeden demokratischen Gesellschaft und Grundlage für Vielfalt, Innovation, Kreativität und Wachstum.
Freiheit ist für niemanden reserviert. Sie gilt für uns alle. Egal, ob wir jung oder alt sind, ob wir große Träume haben oder einfach nur den Tag genießen wollen. Artikel 2 unseres Grundgesetzes garantiert jeder Einzelnen und jedem Einzelnen das Recht auf Selbstbestimmung und die Freiheit, unser Leben so zu gestalten, wie wir es wollen.
Die Medien können ein Tor zur Freiheit darstellen. Sie können Teilhabe ermöglichen und die Vielfalt zeigen, in der wir leben. Sie dienen als Wächter der Freiheit, indem sie Missstände und Machtmissbrauch aufdecken.
Die Freiheit, die uns Artikel 2 garantiert, hat aber auch ihre Grenzen – genau da, wo gegen geltendes Recht verstoßen wird. Als Landesmedienanstalt setzen wir uns dafür ein, diese Rechtsverstöße zu verfolgen. Insbesondere, wenn es um den Schutz von Kindern und Jugendlichen geht.
Für Kinder und Jugendliche ist freie Entfaltung und Entwicklung essenziell. Es gibt aber Inhalte, die Heranwachsende nicht verarbeiten können und deshalb auch nicht zu sehen bekommen sollten. Dazu gehören Pornografie und Gewaltdarstellungen. Das heißt nicht, dass wir Pornografie verbieten wollen – es ist Teil der Freiheit eines und einer jeden Erwachsenen in unserem Land, legale pornografische Inhalte konsumieren zu können. Aber sie dürfen für Kinder und Jugendliche nicht zugänglich sein. Dafür setzen wir uns ein – damit ihre freie Entfaltung und ihr Recht auf Unversehrtheit gewährleistet sind.
Die Freiheit, die wir heute so selbstverständlich für uns in Anspruch nehmen, ist ein wertvolles Gut und ein demokratisches Privileg. Wir alle sollten sie schützen und für sie eintreten – jeden Tag!
Gratulationen zu 75. Geburtstagen sind meistens nicht so einfach.
75 Jahre, das ist eine lange Zeit, in der so viel passiert ist, dass es kaum in ein Leben zu passen scheint. Es lassen sich unmöglich alle Aspekte für so eine lange Zeitspanne in der hier gebotenen Kürze darstellen. Und das obgleich oder vielleicht auch gerade weil diese 75 Jahre – die 75 Jahre, die das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland nun in Kraft ist – oder besser genau dieses Grundgesetz uns alle geprägt hat. Für die meisten wahrscheinlich ganz unbemerkt.
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Das Grundgesetz ist unser gesellschaftspolitischer Kompass. Entstanden unter dem Eindruck der größten durch Menschen – genauer durch Deutschland – ausgelösten Katastrophe, dem Dritten Reich und dem Zweiten Weltkrieg, legt das Grundgesetz vor 75 Jahren fest, wie wir eine Gesellschaft konstituieren, die von Freiheit, Gleichheit, Menschenwürde und Frieden geprägt sein soll.
An diesem Kompass richtet sich unsere Rechtsordnung und damit unsere gesamte Gesellschaftsordnung aus. Es ist unser Schwur, unsere Grundlage, unsere Identität, unser Stolz, die Basis unserer Nation. Es ist mehr als die Farben unserer Fahne, als die Grenzen unseres Territoriums oder unsere Sprache. Wir sind eine Verfassungsnation.
Sich innerhalb der Grenzen des Grundgesetzes zu bewegen, heißt, frei zu sein.
Geprägt hat es uns alle, weil wir frei sein können. Freier als wohl die meisten Menschen dieser Erde und in der Vergangenheit. Geprägt hat es uns aber auch, weil wir ganz selbstverständlich gelernt haben, dass eine kluge Freiheit die ist, die es versteht, verschiedene Freiheiten zueinander in Balance zu bringen und all diese Freiheiten auf ein gemeinsames Ganzes, auf unsere Gesellschaft zu verpflichten.
Wer wüsste das besser als wir.
Es ist der Kern unserer Aufgabe als Landesmedienanstalt, die Meinungs-, die Rundfunk-, die Medienfreiheit mit all den anderen Koordinaten unserer Verfassung, allen voran der Menschenwürde, zu versöhnen und damit eine freie, eine demokratische Medienordnung im Sinne unseres Grundgesetzes zu wahren.
Vielleicht liegt hier der große Unterschied zu vielen anderen 75. Geburtstagen. Es ist nicht nur das Grundgesetz, das uns geprägt hat. Es sind auch wir, die unsere eigene Freiheit, den Charakter unseres Grundgesetzes prägen.
Das Grundgesetz ist vor allem auch deswegen seit 75 Jahren ein tauglicher Kompass, weil es abstrakt ist. Es gibt uns die Richtung vor, aber nicht den Weg. Der verändert sich ständig, seit 75 Jahren. Und nun ist es an uns, die Wege so zu gestalten, dass sie auch weiterhin dem Kompass des Grundgesetzes, unserer Verfassung folgen. Es ist unsere Aufgabe, diese gesellschaftspolitische Idee am Leben zu halten – und wie wir lernen müssen, sie auch zu verteidigen. Jeder von uns. Jederzeit.
Wir brauchen jede Demokratin und jeden Demokraten!
Ein Hurra auf 75 Jahre Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland!
Gleichberechtigung (Art. 3 GG)
Heute wollen wir Euch Artikel 3 des Grundgesetzes näher vorstellen – für uns einer der wichtigsten Artikel des Grundgesetzes. Was macht diesen Artikel für uns so besonders?
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Wir sind Sina Dienstühler und Johanna Erkens, die Gleichstellungsbeauftragten der Medienanstalt NRW. Ausgangspunkt unserer Gleichstellungsarbeit ist die Verwirklichung des Grundrechts der Gleichberechtigung von Frauen und Männern, geregelt in Artikel 3 Absatz 2 GG. Hier heißt es:
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
„Männer und Frauen sind gleichberechtigt“. Dieser schlichte und einfache Satz steht seit bereits 75 Jahren im Grundgesetz. Die Durchsetzung dieser Bestimmung war hingegen nicht so schlicht und einfach. Mit Artikel 3 Absatz 2 GG hatte man 1949 zwar eine formale, aber keine tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern erreicht. So durfte beispielsweise ein Mann noch bis 1958 die Arbeitsstelle seiner Frau kündigen, ohne sie zu fragen. Bis 1977 mussten Ehefrauen tatsächlich noch ihre Männer um Erlaubnis bitten, wenn sie in einem bezahlten Beruf arbeiten wollten.
Im Jahr 1990 gab es daher eine Anpassung der Bestimmung und folgender Satz wurde hinzugefügt: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“. Diese Ergänzung stellte einen klaren Auftrag an den Staat: geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Gleichberechtigung von Mann und Frau aktiv voranzubringen – und nicht nur eine formale Gleichstellung zu schaffen! Dieser Zusatz bildete die Rechtsgrundlage für Gleichstellungsgesetze in der gesamten Bunderepublik Deutschland und damit auch für unsere Arbeit. Wir sind stolz, dass wir diese Aufgabe in der Medienanstalt NRW ausüben dürfen.
Wie sieht unsere Arbeit genau aus? Geht es vor allem um Frauenförderung? Und wäre der Job damit schon erledigt?
Mit knapp 70 Prozent haben wir in der Medienanstalt NRW eine überdurchschnittlich hohe Frauenquote, besonders unter den Führungskräften. Das macht uns stolz. Und doch geht unser gesetzlicher Auftrag weit darüber hinaus. Wir versuchen ein ausgeglichenes Verhältnis der Geschlechter im Sinne der Gleichstellung beizubehalten und mit unseren Anregungen einen familienfreundlichen Arbeitsplatz zu schaffen – für Mütter und Väter.
Auch die Vielfalt im Team Medienanstalt NRW haben wir im Blick - das Miteinander verschiedener Kulturen, Geschlechter und Generationen im beruflichen Alltag. Kann es davon je genug geben? Wahrscheinlich nicht – und deswegen bleiben wir ja auch dran.????
Kaum ein Artikel im Grundgesetz hat eine so umfangreiche Anpassung erfahren wie Artikel 3. 75 Jahre sind eine lange Zeit, in der viel passiert ist – wir freuen uns, dass wir unsere Zeit im Sinne einer wahren Gleichberechtigung und für eine vielfältige Gesellschaft mitgestalten dürfen.
Meinungsfreiheit (Art. 5 GG)
Heute möchten wir euch herzlich einladen, mit uns auf die Meinungsfreiheit zu schauen. Und die Informationsfreiheit. Und die Presse- und Medienfreiheit. Und Zensur. Also los!
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Ich bin Nele, ich bin die Pressesprecherin der Medienanstalt NRW und ich vertrete ein Haus, dessen Legitimation letztlich auf Artikel 5 unseres Grundgesetzes beruht. Dieser Artikel umfasst drei Absätze, wir schauen vor allem auf den ersten. Und der lautet:
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
Was bedeutet dieses Recht für jeden?
Aus diesem Artikel ergeben sich Freiheiten. Krasse Freiheiten. Der Artikel besagt, dass man denken, sagen, malen, singen und schreien darf, was man will. Der Staat verpflichtet sich mit diesem Artikel, niemanden wegen seiner Meinung zu bestrafen – mehr sogar, für die Verbreitung von Meinungen in Medien und damit für die Mittel zur freien Meinungsbildung zu sorgen. Nicht zu zensieren. Die Medienanstalt NRW hilft dabei, wir sind der Meinungsfreiheit verpflichtet.
Drei persönliche Gedanken dazu.
- Meinungsfreiheit kennt Grenzen.
Das Recht auf Meinungsfreiheit ist nicht zu verwechseln mit dem Recht, verbale Gewalt auszuüben. Das gibt es nämlich nicht. In Deutschland ist es erlaubt, jede beliebige Meinung zu vertreten. Beleidigungen, Aufrufe zu Straftaten, Holocaust-Leugnungen oder gar Volksverhetzungen zählen nicht dazu und daher finde ich es richtig, mit den Mitteln des Rechtsstaates dagegen vorzugehen. - Die Debatte macht die Demokratie.
Die Meinungsfreiheit wird uns allen vom deutschen Staat gewährt. Viele unterschiedliche Menschen machen davon heute Gebrauch. Es sind viel mehr Stimmen, die heute mitreden, als noch vor 75 oder auch nur 25 Jahren – mehr Frauen, mehr queere Menschen, mehr Zugewanderte. Meinungen sind vielfältig und kontrovers. Und so soll das auch sein – Meinungsfreiheit impliziert auch den Dissens. Der Widerspruch ist vorgesehen. Die Debatte macht die Demokratie. - Danke, liebes Grundgesetz.
Manchmal fällt es schwer, für etwas dankbar zu sein, das sich selbstverständlich anfühlt. So wie atmen oder laufen zu können. Zurückzublicken kann dabei helfen. Vor 75 Jahren war dieses Recht in Deutschland fast undenkbar und wurde doch in ein Gesetz geschrieben. Heute dürfen wir sehr dankbar dafür sein, dass wir es haben. Und wir müssen für seinen Schutz einstehen.
Artikel 5 ist wichtig für uns.
Deswegen haben wir ihn auch auf Plakate geschrieben und in die Städte in NRW gehängt. Vielleicht habt ihr die ja schon entdeckt?
Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG)
Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.
Das ist nicht nur meine persönliche Meinung. So steht es auch in Artikel 5 unseres Grundgesetzes.
Wissenschaft begleitet mich mein Leben lang. Mindestens seit der Ausbildung – und jedenfalls mein gesamtes bisheriges Berufsleben. Nach eigener Erfahrung in Forschung und Lehre haben sich meine Bezugspunkte über die Jahre verändert. Mittlerweile verfolge ich Forschungsarbeiten vor allem im Bereich der Medienentwicklung und -nutzung.
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Gemeinsam mit meinem großartigen Team konzeptioniere ich Studien, die wir teils selbst, jedoch vor allem durch Beauftragungen von Forschenden und Forschungseinrichtungen umsetzen. Als @Landesanstalt für Medien NRW haben wir einen gesetzlichen Forschungsauftrag (§ 88 Abs. 12 LMG NRW). Das ist schon sehr toll!
Für unsere Forschung gilt demnach, dass sie in klarem Bezug zu unseren Aufgaben stehen muss. Wir machen also angewandte Forschung! Die Ergebnisse werten wir aus und setzen sie in konkretes Handeln um. So erlangen unsere Positionierungen und Aktivitäten eine empirische Fundierung – und sind auch für andere Interessierte nutzbar.
Was das in der Praxis heißt? Das könnt ihr euch auf unserer Forschungsseite anschauen – zuletzt haben wir beispielsweise zu Challenges auf TikTok oder Cybergrooming geforscht.
Auch wenn mir Wissenschaft ein roter Faden ist, habe ich mich nie näher mit ihrer Freiheit beschäftigt. Weil ich sie als selbstverständlich kennenlernen durfte. Ein Zeichen für eine funktionierende Demokratie? Oder naiv?
So oder so, der 75. Geburtstag unseres Grundgesetztes ist für mich ein guter Anlass, mich eingehender mit der Wissenschaftsfreiheit zu befassen.
Dabei war für mich interessant und neu,
- dass das Bundesverfassungsgericht schon 1973 Wissenschaft definiert hat als „jede Tätigkeit, die nach Inhalt und Form als ernsthafter planmäßiger Versuch der Wahrheitsermittlung anzusehen ist" (BVerfGE 35, 79),
- dass Bund und Länder erstmals 2005 einen mittlerweile bis 2030 verlängerten Pakt für Forschung und Innovation geschlossen und alle 27 EU-Mitgliedstaaten 2021 die Bonner Erklärung zur Forschungsfreiheit unterzeichnet haben, mit der sie ihr gemeinsames Verständnis zur Freiheit der Forschung bekräftigen.
- Und wie wenig selbstverständlich ebendiese Freiheit ist!
Das zeigt unter anderem der Akademische Freiheitsindex (AFI). Dieser zeigt den Grad der Forschungsfreiheit und des wissenschaftlichen Austausches von mittlerweile 179 Ländern. Deutschland liegt im globalen Vergleich im Spitzenfeld. In 22 Ländern jedoch hat sich die Lage für Forschende und Hochschulen in den vergangenen zehn Jahren verschlechtert. Ein Rückschritt in der Wissenschaftsfreiheit für die Hälfte der Weltbevölkerung!
Wissenschaftsfreiheit ist kein nice to have für eine Gesellschaft, sondern ein hohes Gut.
Umso mehr sage ich: Wie toll, dass es Wissenschaftsfreiheit gibt! Dass wir forschen dürfen, und zwar frei und ergebnisoffen! Dass es Dich gibt, liebes Grundgesetz!
HAPPY BIRTHDAY.
Familie und Schule (Art. 6,7 GG)
Weiter geht’s heute mit Artikel 6 und 7 unseres Grundgesetzes. Darin geht es um Familie und Schule und ich darf meine Gedanken dazu mit euch teilen. Ich bin Robert, Teamleiter im Bereich Medienorientierung.
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„Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung“ – so steht es in Artikel 6 unseres Grundgesetzes. Und der regelt auch Pflege und Erziehung, den Schutz von Müttern und die Rechte unehelicher Kinder. Manches davon fühlt sich ein bisschen aus der Zeit gefallen an. Das Verständnis von Familie hat sich weiterentwickelt. Der Begriff „Familie“ ist offener und durchlässiger geworden. Nichtsdestotrotz steht die Familie unter einem besonderen Schutz. Gleiches gilt für das Schulwesen. Denn auch dazu heißt es im ersten Absatz des 7. Artikels, „Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.“
Was bedeuten diese beiden Artikel für mich und was bedeuten sie für eine staatsferne Institution, die Menschen jeden Alters fit machen will im Umgang mit Medien?
Zunächst einmal machen sie deutlich, dass Familie und Schule Orte sind, die Aufmerksamkeit und Schutz verdienen. Hier kommen Menschen zusammen, hier wachsen Kinder zu mündigen Bürgerinnen und Bürgern heran, hier kann viel Gutes entstehen und viel Schaden angerichtet werden. Und man sucht sich diese Orte nicht aus – jedes Kind wird in eine Familie geboren, jedes Kind muss zur Schule gehen.
Wir wollen daher daran mitwirken, diese Orte zu gestalten. Wir setzen uns mit unseren Angeboten dafür ein, für die Bedeutung von Medien zu sensibilisieren und zu vermitteln, warum der Umgang mit ihnen so wichtig – demokratieentscheidend – ist. Immer mit Respekt vor der Bedeutung von Familie und der Wichtigkeit von Schule.
Angesichts aktueller und vergangener Krisen keine triviale Aufgabe. Eltern und Lehrkräfte können das sicher nachvollziehen. Wenn ich daran denke, wie beispielsweise der Nahostkonflikt auch auf Schulhöfen ausgetragen wird, ist es erstaunlich, wie vorausschauend diejenigen waren, die sich dieses Grundgesetz ausgedacht und das besondere Verhältnis von Religion und Schule gewürdigt haben. Und dieser Konflikt ist auch ein Beispiel für die, gelinde ausgedrückt, angespannte Diskussionskultur. Was ist da richtig? Und was falsch? Auch wir können das nicht immer sicher beantworten, aber doch zumindest die demokratischen Werkzeuge an die Hand geben, mit denen die persönliche Beantwortung möglich wird.
Das Grundgesetz steht für eine demokratische Gesellschaft – mit individueller Freiheit und friedlichem Miteinander. Wenn wir verlernen, zu diskutieren und manchmal auch zu streiten, und stattdessen Konflikte beleidigend oder verletzend austragen, machen wir die Welt nicht zu einem besseren Ort. Das gilt nicht nur für die Schule oder die Uni – das gilt auch für die Familie. Wer sind wir, wenn wir noch nicht einmal ein Abendessen im Familienkreis friedlich verbringen können?
Zum 40. Jahrestag des Grundgesetzes sagte Richard von Weizsäcker: „Auch unter dem Grundgesetz sind wir keine Engel geworden.“ Mein Wunsch wäre, dass wir zumindest weiter daran arbeiten, im Miteinander – in Schule und Familie – keine Teufel zu sein.
Berufsfreiheit (Art. 12 GG)
Liebes Grundgesetz,
von ganzem Herzen alles Liebe und Gute zum Geburtstag!
Anlässlich deines 75. Geburtstages möchten wir dir einen weiteren ganz besonderen Geburtstagsgruß übermitteln, der sich heute um deinen Artikel 12 dreht: die Berufsfreiheit.
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Seit 1949 sprichst du allen Menschen in Deutschland das Recht zu, ihren Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen.
Deine Anwesenheit hat nicht nur die Wirtschaft angekurbelt und unternehmerische Initiative und Innovation vorangetrieben, sondern auch die Lebenswege unzähliger Menschen beeinflusst.
Du trägst maßgeblich zur Berufs- und Arbeitsplatzvielfalt beigetragen, da wir seit 75 Jahren die Freiheit haben, in verschiedenen Berufsfeldern und Arbeitsformen tätig zu werden und zusammenzukommen. Dies trägt zur Schaffung einer vielfältigen und flexiblen Arbeitswelt bei. Dank dir ist die Berufs- und Arbeitswelt in einem ständigen Wandel und entwickelt sich immer weiter.
Denk nur daran, wie du die Türen zu einer Vielzahl von Berufen geöffnet hast, die vor 75 Jahren noch nicht einmal in unseren kühnsten Träumen existierten! Von Softwareentwickler:innen über Content Creator bis hin zu Social-Media-Influencern - du hast den Weg für neue Horizonte geebnet und den Menschen ermöglicht, ihre Leidenschaften in ihren Berufen auszuleben.
Du hast aber nicht nur den Weg für neue Berufe eröffnet, sondern auch die Grundlage für Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit gelegt!
Dank dir haben wir die Möglichkeit unseren beruflichen Träumen nachzujagen und unsere Talente frei zu entfalten.
Deine Anwesenheit hat auch dazu beigetragen, Arbeitnehmerrechte zu stärken und Arbeitsbedingungen neu zu denken und zu verhandeln.
Liebe Berufsfreiheit, zusammengefasst kann man sagen, dass dein Kommen maßgeblich unsere Gesellschaft geprägt hat. Denn deine Anwesenheit fördert eine dynamische, vielfältige und gerechtere Gesellschaft, in der Menschen frei sind, ihre beruflichen Interessen zu verfolgen und ihre Fähigkeiten einzusetzen.
Also erheben wir heute unsere Gläser (und unsere Arbeitsverträge) und stoßen auf dich an, lieber Artikel 12!
Mögest du noch viele weitere Jahre der Berufsfreiheit bringen und weiteren Millionen Menschen ihren Traumberuf ermöglichen.