11.09.2024

Klar haben wir schon einen Porno gesehen

Fast die Hälfte aller Kinder und Jugendlichen gibt an, bereits einen Porno gesehen zu haben – das zeigt eine aktuelle repräsentative Umfrage der Medienanstalt NRW

Pornos sind kein Kinderprogramm. Und doch kommen Kinder und Jugendliche heute schon deutlich vor ihrer Volljährigkeit mit ihnen in Kontakt – mehr als das, sie stellen auch immer öfter selbst pornografisches Material her und verschicken es. Das Phänomen nennt sich Sexting und wurde in unserer repräsentativen Umfrage, bei der wir knapp 3.000 Kinder und Jugendliche im Alter von 11-17 Jahren befragt haben, ebenso aufgegriffen, wie ihre Erfahrungen mit Pornos. 

„Für Eltern oder Lehrkräfte, die in Zeiten von dunklen Videotheken oder meinetwegen DVDs auf dem Schulhof aufgewachsen sind, ist es schwer vorstellbar, wie einfach Kinder und Jugendliche heute an Pornografie kommen – geschweige denn, können sie sich vorstellen, ihre Kinder würden solches Material selbständig verschicken. Aber die Studie zeigt es eindeutig: Das passiert. Wir sind gefordert, Minderjährige zu schützen. Mit Aufklärung und Anlaufstellen im Alltag und mit einem zuverlässigen Jugendmedienschutz im Digitalen. Mit Angeboten wie den Medienscouts NRW und unserem Vorgehen gegen den fehlenden Jugendschutz bei den größten Pornoplattformen der Welt nehmen wir uns dem Thema an“, kommentiert Dr. Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien NRW, die aktuelle Studie. 

Die Umfrage haben wir in dieser Form erstmals 2023 durchgeführt und ein Vergleich der beiden Jahre liegt daher nahe. Es zeigt sich, 2024 geben deutlich mehr Kinder und Jugendliche an, bereits einen Porno gesehen zu haben (2024: 42 %, 2023: 35 %). Diese Zunahme ist besorgniserregenderweise nur bei den bei 11-13-jährigen Jungen und Mädchen zu verzeichnen (von 19 % (2023) auf 26 % (2024)). Bei den 14-17-jährigen Mädchen ist es abnehmend (von 45 % (2023) auf 42 % (2024)), bei den Jungen gleichgeblieben (59 %). 

Dabei überrascht besonders, in welch jungem Alter der Erstkontakt mit Pornos erfolgt – und zwar meist im Alter von 12 bis 15 Jahren. Der Kontakt geschieht häufig unfreiwillig bzw. zufällig. Diese Altersspanne entspricht der gleichen wie beim ersten Sexting. Und es fällt den allermeisten Kindern und Jugendlichen schwer, das Gesehene einzuordnen. Nur gut ein Viertel der Befragten (28 %), die einen Porno gesehen haben, bewerten Pornos als unrealistisch, 2023 lag der Wert noch höher bei etwa einem Drittel (2023: 33%).

Einen kausalen Zusammenhang zwischen frühem Pornokonsum und dem Kontakt mit selbsterstelltem pornografischem Material, also Sexting, kann zwar nicht nachgewiesen werden. Der Verdacht liegt jedoch nahe. Fast die Hälfte der Befragten (42 %), die angaben, einen Porno gesehen zu haben und zu sexten, gaben an, sich durch Pornos für ihr Sextingverhalten inspirieren zu lassen. Die Befragten lassen also das, was sie in Pornos entdecken, in ihr eigenes Verhalten einfließen. 

2024 gibt ein Viertel der Befragten an, bereits eine Sexting-Nachricht erhalten zu haben (2024: 25 %, 2023: 21 %). Auch hier geschieht der Kontakt nicht zwingend freiwillig, mehr als drei Viertel davon (79 %) haben die Nachricht unaufgefordert erhalten. Außerdem sind die Empfängerinnen und Empfänger von Sexting-Nachrichten den Versendenden häufig nicht persönlich bekannt. Befragte senden häufiger Sexting-Nachrichten an Personen, die sie nicht persönlich kennen (2024: 27 %, 2023: 11 %). Gleiches gilt für die Weiterleitung von Pornos (2024: 28 %, 2023: 6 %), hier ist ein sprunghafter Anstieg zu verzeichnen. Ein möglicher Grund ist, dass Kinder und Jugendliche unvorsichtiger werden. Der signifikante Ausbau der Dominanz von WhatsApp als Sexting-Plattform (2024: 68 %, 2023: 57 %) legt die Vermutung nahe, dass es durch die Funktion des Gruppenchats einen generellen Anstieg an Kommunikation mit Personen gibt, die nicht persönlich bekannt sind. Ein Umstand, der möglicherweise nicht jedem Elternteil oder jeder Lehrkraft klar ist – und der einmal mehr nach Lösungen durch die Plattformindustrie verlangt. 

Die vollständige Studie finden Sie ab sofort hier zum Download.